Lyrische Texte analysieren: Merkmale, Beispiele, lyrische Mittel

16 Februar 2024
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Erklärung

Als Lyrik bezeichnet man die Dichtung in Versform, welche die dritte literarische Gattung neben der Epik und der Dramatik darstellt. Lyrische Werke werden auch Gedichte (oder veraltend Poeme) genannt.

Man kann einen lyrischen Text anhand von verschiedenen Merkmalen erkennen und unterscheiden. Meistens wird die lyrische Form eines Gedichts interpretiert und analysiert.

Die Gedichtinterpretation beschreibt das Gedicht in Anbetracht der Form, Wörter, Stil und Inhalt.

Die Interpretation soll die Absicht und den Zweck des Gedichtes erklären.

Die Gedichtanalyse beschreibt und sortiert den lyrischen Text, die Interpretation deutet die Intention und das Verständnis. 

 

Bereite dich gut auf die Gedichtanalyse vor!

  • Lese den Text mehrmals gründlich durch
  • Mache dir Notizen
  • Erkenne die Zusammenhänge
  • Versetzte dich in den Autor des Gedichts
    • Berücksichtige die Epoche
    • Berücksichtige die Lebenssituation
  • Erkläre und deute die verbundenen Ansichten 

 

Einleitung

(Autor, Titel, Jahr, Epoche, Gedichtart (Sonett, Haiku etc.))
Dieses Kapitel beschreibt den Aufbau einer Gedichtanalyse sowie Gedichtinterpretation. Die Einleitung einer Gedichtanalyse oder Gedichtinterpretation stellt das Gedicht vor. 

  • In der Einleitung erhält Informationen über den Autor, den Titel, dem Erscheinungsjahr. 
  • Hier werden auch die literarischen und geschichtlichen Hintergründe benannt wie beispielsweise die Epoche. 
  • Eine kurze Beschreibung des Inhalts und des Themas verleiht den Leser einen Überblick; dazu kann hier eine Inhaltsangabe und eine Hypothese über die Deutung verfasst werden. 

⇒  Nicht zu vergessen ist die Einordnung der Art des Gedichts. Es gibt folgende Gedichtarten:

Sonett
⇒    Zwei Quartette (1.Quartett stellt einen Standpunkt dar; das 2. Ein Gegenargument) 
⇒    Zwei Terzetten (beschreiben die Schlussfolgerung)

  •     Gesamt ⇒ 14 Verse

⇒    Zwischen den Quartetten und Terzetten wird Spannung aufgebaut

Haiku
⇒    3 Zeilen

  • 1. Zeile mit 5 Silben
  • 2. Zeile mit 7 Silben
  • 3. Zeile mit 5 Silben

Ode
⇒    Kein festes Reimschema
⇒    Eingeteilt in Strophen
⇒    Feierlicher, belohnender Stil

Limerick
⇒    5 Zeilen
⇒    Meistens amüsant
⇒    Festes Reimschema

  •  AA BB A

Ballade
⇒    Alle literarischen Formen sind vereint
⇒    Eine Ballade ist ein Lied
⇒    Oft wird eine Geschichte beschrieben ⇒ Epik
⇒    Die Geschichte wird mit Gesprächen zwischen Personen erzählt ⇒ Drama
⇒    Die Ballade enthält Reime ⇒ Lyrik

Elfchen
⇒    5 Zeilen mit 11 Wörtern
⇒    Folgendermaßen auf die Zeilen verteilt:

  • 1, 2, 3, 4, 1 Wörter pro Zeile

Einleitung:

  • Titel
  • Thema
  • Autor
  • Art/ Textsorte (Liebesgedicht, politisches Gedicht, religiöses Gedicht)
  • Erscheinungsjahr und Entstehungszeitraum

 

Hauptteil

Hier wird der gesamte Text wiedergegeben. Der Inhalt und Aufbau wird genau beschrieben und analysiert:

  • Inhalt und Thema
  • Thematik im Gedicht
  • Zusammenhänge im Titel
  • Lyrisches Ich
  • Beschreibung der Handlung 
  • Aufbau
  • Verse
  • Strophen
  • Kadenz
  • Reimschema
  • Metrum (Versmaß)
  • Inhalt & Form
  • Syntax und Sprachlich auffällige Mittel, Analyse der Wortarten (Nutzung von vielen Nomen oder Verben)
  • Beschreibung der Lage des lyrischen Ichs
  • Beschreibung und Deutung der Stilmittel, dem Satzbau, dem Tempus (Zeitform) und der Reimform
  • Interpretation
  • Sortierte Interpretation der Verse 
  • Die Sicht aus einer Strophe 
  • Beschreibungen der Handlungen
  • Beschreibung der Stimmungen und Emotionen
  • Zusammenhänge sehen und deuten
  • Sprachliche Mittel und Wortarten deuten, interpretieren und analysieren

Inhalt/ Inhaltswiedergabe

•    Was ist das Hauptthema (Liebe, Krieg, Natur,..)?
•    Was ist die Intention und die Botschaft des Autors?
•    Wo ist das Gedicht entstanden bzw. welchen Ort beschreibt das Gedicht?
•    Wer sind die Personen (lyrisches Ich, lyrisches Du)? Spricht das lyrische Ich jemanden an?
•    Hat das Gedicht einen Bezug zu einer Epoche oder zu einem geschichtlichen Ereignis?
•    Hat das Gedicht einen Bezug zur Biografie des Autors?
 

Interpretiere die einzelnen Verse unter Berücksichtigung von

  • Metrum und Rhythmus
  • Verse und Strophen
  • Reimschema/ Reimart
  • Was bewirkt die Form?
  • Könnte die Auswahl des Forms einen Grund haben?
  • Form/ Äußere Struktur des Gedichts

 Sprachliche Mittel/ Rhetorische Mittel

  • Wortwahl/Wortschatz (Hochsprache, Umgangssprache, Wortarten, Wiederholungen, Schlüsselwörter, ...)
  • Sprachliche Besonderheiten
  • Stil (emotional, ironisch, sachlich, kritisch...)
  • Welche Zeitform wird gewählt (Präsens, Perfekt…)
  • Satzbau (Parallelismus, Enjambement, ...)
  • sprachliche Mittel (Metaphern, Vergleiche, Symbole)
  • Stimmung, die durch die sprachlichen Mittel entsteht.
  • Was bewirken die sprachlichen Mittel?

 

 

Inhalt

Der Inhalt wird genau beschrieben und analysiert. 

Folgende Fragen solltest du beantworten:

  • Um was handelt der lyrische Text? 
  • Welche Verbindungen gibt es zum Titel? 
  • Was für ein Motiv hat der Schriftsteller? 
  • Wo findest du die Sinnabschnitte? 
  • Gibt es einen Höhepunkt oder eine Wendung? 
  • Wie ist die Konstellation der Personen? 
  • Gibt es eine Hauptperson oder einen Hauptgegenstand? 
  • Wie wird das lyrische Ich dargelegt?

 

Verse und Strophen
Versen sind die Zeilen eines Gedichts und die Strophen sind die Abschnitte. 
Septembermorgen
Im Nebel ruhet noch die Welt,    
Noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
Den blauen Himmel unverstellt,
Herbstkräftig die gedämpfte Welt
In warmem Golde fließen. 

 

Metrum / Versmaß (Jambus, Trochäus, Daktylus, Anapest)
Das Metrum gibt die Silbenbetonung in den Versen an. Man unterscheidet zwischen betonten und unbetonten Silben.
Die wichtigsten Versfüße

Metrum      Betonung                                 Beispiel
Jambus     unbetont, betont                          xX    das Stück
Daktylus    betont, unbetont, unbetont        Xxx    Wander-ung
Trochäus   betont, unbetont                          Xx    Himmel
Anapäst     unbetont, unbetont, betont         xxX    Horizont

 

 

Kadenzen (männlich / weiblich)

Die Kadenz ist die Betonung am Schluss eines Verses. Um das Metrum zu bestimmen teilst du die Vere in Silben ein. Nachdem du das Metrum bestimmt hast, kannst du auch die Kadenz bestimmen, da du hier auch die einzelnen Silben beachten musst. 
-    Männlich Kadenz ⇒ Versende betont (hört sich stumpf, kurz an)
-    Weibliche Kadenz ⇒ Versende unbetont (hört sich klingend, weich an)
-    Reiche Kadenz ⇒ Versende mehrfach unbetont (hört sich gleitend, lang an)
Da es sich oft bei lyrischen Texten um Balladenlieder handelt, ist die Betonung für die Aussprache sehr wichtig und werden nicht monoton vorgetragen. Die Betonung zieht die Aufmerksamkeit auf bestimmte Wörter und kann Emotionen wecken.

 

Reimschema (Paarreim, Kreuzreim, umarmender Reim, etc)

Reim am Versende
Der Paarreim (Schema aa, bb, cc)
(a) Die Bauarbeiter sind so nett
(a) sie sägen im Garten das große Brett
(b) Die Küche wird geputzt
(b) Der Schrank ist nicht verschmutzt.

 

Der Kreuzreim (Schema ab, ab)
(a) So geht's immer, wie ich finde,
(b) Rief der Müller voller Zorn.
(a) Hat man Korn, so fehlts am Winde,
(b) Hat man Wind, so fehlt das Korn.
-Vers aus dem Gedicht Ärgerlich von Wilhelm Busch

 

Der Blockreim/der umarmende Reim (Schema abba)
(a) "Ein reiner Reim ist sehr begehrt,
(b) doch den Gedanken rein zu haben,
(b) die edelste von allen Gaben,
(a) das ist mir alle Reime wert.“
-Goethe

 

Haufenreim (Schema aaaa, bbbb)
(a) Am frühen Morgen aufwachen
(a) und die Kinder sind schon am Lachen
(a) Der Vater sollte sich Tee machen
(a) Er hat große Schmerzen im Rachen

SCHWEIFREIME (Schema aabccb)
(a) Lass, höchster Gott, mich doch nicht auf dem Laufplatz gleiten!
(a) Lass mich nicht Ach, nicht Pracht, nicht Lust, nicht Angst verleiten!
(b) Dein ewig heller Glanz sei vor und neben mir!
(c) Lass, wenn der müde Leib entschläft, die Seele wachen,
(c) Und wenn der letzte Tag wird mit mir Abend machen,
(b) so reiß mich aus dem Tal der Finsternis zu Dir!
-Gryphius

 

Kettenreim/Terzinenreim (Schema aba, bcb, cdc)
(a) "Auf halbem Weg des Menschenlebens fand
(b) ich mich in einen finstern Wald verschlagen,
(a) Weil ich vom rechten Weg mich abgewandt.

(b) Wie schwer ist’s doch, von diesem Wald zu sagen,
(c) Wie wild, rauh, dicht er war, voll Angst und Not;
(b) Schon der Gedank’ erneuert noch mein Zagen.
      ……
– Dante in der Göttlichen Komödie

 

Weitere Reimformen (Stellung des Reims)

Anfangsreim
"Krieg! ist das Lösungswort,
Sieg! und so klingt es fort ..."
-Goethe, Faust II 9837/8

 

Binnenreim (Reim innerhalb des Verses)
„Zwei Grillen lebten in Ostberlin,
die wollten auf die Antillen ziehn.“
-Natias Neutert

 

Schlagreim
„Als ob es tausend Stäbe gäbe“
– Aus: R. M. Rilke: Der Panther

 

Stabreim (Anfangswort beginnt mit dem gleichen Buchstaben)
"wer soll da noch auftauchen aus der flut,
wenn wir darin untergehen?..."
-H.M.Enzensberger, weiterung

 

Assonanz  (Nur die Vokale, aber nicht die Konsonanten stimmen überein)
„Heute dürft ihr gehen,
und vergisst nicht vor eurer Türe zu fegen“

 

 

Interpretation

(auch: Wortarten, Wortfelder, Syntax, rhetorische Mittel, lyrisches Ich, epochale Bezüge)

Interpretiere folgende Aspekte (immer vom Großen zum Kleinen hin)
Beantworte diese Fragen und gebe an, welche Intention der Autor damit hat.  Der Bezug zum Text ist wichtig!

Raum
Wie beschreibt der Autor den Ort und den Raum der Handlung?
Welche Details beschreibt er und warum?

Zeit
In welcher Zeit findet die Handlung statt?
Wie beschreibt der Autor diese Zeit/Epoche?
Ist der Autor der typische Vertreter dieser Epoche?

Personen/Charakteristik/Figurengestaltung
Wie sind die Charaktere der Personen? Wie werden sie beschrieben?
Wie verhalten sich die Figuren zueinander?

 

Schlussteil

  • Thema abrunden.
  • Eigene Stellungnahme/Persönliche Meinung
  • Hat das Thema in unserer heutigen Zeit bzw. in unserer Gesellschaft noch ei-ne Bedeutung. Welche Bedeutung?
  • Gibt es noch offene Fragen?
  • Fazit

Zusammenfassen der Analyseergebnisse

  • Hier fasst du nochmal kurz zusammen, welche Kernpunkte du im Hauptteil herausgefunden hast. Zusätzlich kannst du kurz deine eigene Meinung zum Gedicht äußern.

Intention des Autors

  • Im Schlussteil der Gedichtanalyse oder Gedichtinterpretation muss die Aussageabsicht des Autors wiedergegeben werden. Kläre, was der Autor mit dem Gedicht ausdrücken will und welchen Stil er verwendet.

 

Einordnung in die Epoche

  • Das Erscheinungsjahr sagt dir in welche Literaturepoche du das Gedicht einordnen kannst. Vergleiche das Gedicht mit den Merkmalen der jeweiligen Epoche und ziehe eine Folgerung daraus. Ist das Gedicht typisch für die Epoche? Kann man das Ge-dicht auch anderen Epochen zuordnen? Welche Epochenmerkmale stechen besonders heraus? 
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